Das Deutsche Kinderhilfswerk kritisiert die geplante Reform des Kinder- und Jugendhilfegesetzes als unausgegoren und unzureichend.
“Nach monatelangem Ringen um das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz ist vom anfänglichen Ansatz der Reform ,vom Kind her zu denken’ nicht mehr viel übrig geblieben. Eine komplexe Reform des Kinder- und Jugendhilfegesetzes lässt sich nur in einem partizipativen und transparenten Diskussionsprozess mit Verbänden, Expertinnen und Experten sowie der Praxis realisieren. Wir hoffen, dass es in der nächsten Legislaturperiode einen neuen Anlauf und ausführliche Diskussionsprozesse für die notwendige Reform gibt. Hierbei sollten auch die Bedenken in Bezug auf die bestehenden finanziellen Lücken bei gleichzeitigem Anstieg der Herausforderungen in der Kinder- und Jugendhilfe Gehör finden, die letztlich nur durch eine Neuausrichtung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen in diesem Bereich zu stemmen sind”, betont Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes, anlässlich der heutigen Bundestagsdebatte über das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz.
“Einige der vorgesehenen Verbesserungen im Kinder- und Jugendhilfegesetz sind wichtig und richtig. Zu nennen sind hier beispielsweise der uneingeschränkte Beratungsanspruch von Kindern und Jugendlichen unabhängig von einer Krisensituation und den Eltern, oder die stärkere Einbeziehung von Medienkompetenzförderung in die Arbeit der Kinder- und Jugendhilfe. Und auch die Verankerung von fachlich ungebundenen, weisungsunabhängigen Ombudsstellen ist zu begrüßen, wenngleich eine verbindlichere Regelung besser gewesen wäre. Auf der anderen Seite befürchtet das Deutsche Kinderhilfswerk durch die Reform eine Zwei-Klassen-Jugendhilfe für geflüchtete junge Menschen in Deutschland, bei der Leistungen für junge Geflüchtete zukünftig nicht nach Bedarf, sondern nach Kasse gewährt werden. Ein solches Vorhaben ist diskriminierend und verstößt damit gegen das Grundgesetz sowie die UN-Kinderrechtskonvention. Für uns als Kinderrechtsorganisation ist klar: Die Kinder- und Jugendhilfestandards müssen für alle Kinder in Deutschland gleichermaßen gelten, unabhängig von ihrer Herkunft oder ihrem Aufenthaltsstatus. Hier appellieren wir insbesondere an die Länder, keine Kostensenkungen auf dem Rücken der Geflüchteten durchzusetzen”, so Hofmann weiter.
Das Deutsche Kinderhilfswerk begrüßt grundsätzlich die Initiative, den Schutz von Minderjährigen und Frauen vor Gewalt in Aufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften zu verbessern. Hierzu bedarf es jedoch einer gesetzlich klar normierten Verpflichtung zur Festlegung und Umsetzung von entsprechenden Schutzkonzepten. Sollen Frauen und Minderjährige vor Gewalt in solchen Einrichtungen nachhaltig geschützt werden, müssen die Träger dieser Einrichtungen effektiv verpflichtet werden, konkret vorgegebene Standards zu erfüllen.
Das Deutsche Kinderhilfswerk hofft, dass zu Beginn der nächsten Legislaturperiode der Diskussionsprozess über notwendige Reformen in der Kinder- und Jugendhilfe fortgesetzt wird. Dieser Prozess muss von Seiten der Bundesregierung transparent und offen gestaltet werden, insbesondere unter Beteiligung der Fachwelt, der Beschäftigten, der Adressatinnen und Adressaten der Kinder- und Jugendhilfe, der Träger der öffentlichen und freien Kinder- und Jugendhilfe sowie von Ländern und Kommunen. Eine solche Reform muss die vollständige Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland forcieren, das Kinder- und Jugendhilfegesetz zu einem modernen Gesetz weiterentwickeln und zugleich die Kinder- und Jugendarbeit insgesamt stärken.